Wir sind an der polnisch-ukrainischen Grenze angekommen und haben uns mit einer kleinen, hier schon bestehenden Struktur vernetzt. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, marginalisierte people on the move zu finden und Shuttles für diese zu koordinieren. Wir haben beschlossen ein Teil dieser Struktur zu werden, um sie zu unterstützen. Das heißt wir fahren momentan Grenzübergänge ab und sichten diese nach potentiellen Unterstützungsbedarfen. Außerdem fassen wir ins Auge eine stationäre Anlaufstelle zu schaffen für Menschen aus der BRD, die hier her kommen, um BIPoC und queere Menschen zu shuttlen. Dadurch erhoffen wir uns eine bessere Koordination.
Die hier schon bestehende Koordinierungsstruktur versucht aktuell die 5 südlichen Grenzübergänge abzudecken. Wir waren nun an den beiden nördlichen Übergängen, um uns einen Überblick zu verschaffen. Heute ist es an diesen beiden, eher kleineren Übergängen ruhig. Es gibt Gerüchte darüber, dass die Grenze vorübergehend geschlossen war, weil zu viele von den ukrainischen Grenzbeamt*innen als männlich gelesene Personen versucht hätten die Ukraine zu verlassen. Bestätigen ließ sich dies nicht.
An den beiden nördlichen Grenzübergängen gibt es jeweils einen Transitbereich. Unserer Beobachtung nach werden die Menschen zum größten Teil direkt aus dem Transitbereich von Reisebussen abgeholt und ins Landesinnere gefahren. Es war uns bis jetzt nicht möglich in diesen Transitbereich zu gelangen. Wir haben keine Probleme mit Staus oder ähnlichem beobachten können, so wie es medial berichtet wird.
Es ist sehr kalt und es gibt viele Berichte darüber, dass die Menschen auf der ukrainischen Seite der Grenze stundenlang warten müssen. Deswegen gibt es wohl viele people on the move, welche unterkühlt auf der polnischen Seite der Grenze ankommen. An den beiden nördlichen Grenzübergängen gibt es kleine, aber gut organisierte Versorgungspunkte. Wir können noch nicht beurteilen, ob diese Versorgung allen Menschen zu Gute kommt. Zudem erreichen die meisten Menschen diese Versorgungspunkte nicht, da sie direkt im Transitbereich in Reisebusse steigen und weggefahren werden.
Nachfolgend eine Einschätzung von der hier schon bestehenden Struktur, die wir unterstützen:
8. März
Die Lage hat sich kaum verändert. Es gibt einen großen Bedarf an Fahrten und einen noch größeren Bedarf an Koordination, um auch den relativ schwer zu findenden, marginalisierten Gruppen helfen zu können.
Die Aussage des Auswärtigen Amtes, keine Fahrten hier her zu organisieren, kann ich in keinster Weise nachvollziehen: Nirgendwo bildet sich Stau, außer auf der ukrainischen Seite und auf dem Grenzübergang Korczowa auf der Autobahn auf der polnischen Seite direkt vor der ukrainischen Grenze, wo keine Fahrten stattfinden. Das Einzige ist der unwirtschaftliche Verbrauch an Kraftstoff, der sich an der Rationierung der Tankfüllungen erahnen lässt, was aber in einer solchen Lage zu verschmerzen ist, denke ich.
Dem Bericht von Ali nach, kam nach seinem Fußmarsch von Liviv nach Korczowa noch 18 Stunden Schlange stehen am polnischen Grenzübergang. Im Moment schneit es auch in den niedrigeren Regionen weiter nördlich und es ist saukalt.
Nachfolgend ein kleiner Überblick über die Grenzübergänge in der Region um Rzeszow (von Norden nach Süden):
- Hrebenne: mittelgroßer Grenzübergang; das Ersthelfer*innen-Camp ist privat organisiert; außer der Polizei, die den Verkehr regelt, passiert alles selbstorganisiert; medizinischer Support ist vorhanden; die Ankommenden werden relativ zügig mit Bussen und privaten Autos nach Zamosc zum Bahnhof gebracht
- Budomierz: kleiner Grenzübergang; relativ professionell organisiert; ebenfalls reines Durchlauflager; hier werden alle Ankommenden zum Bahnhof nach Lubaczow gefahren
- Korczowa: großer Grenzübergang an der Autobahn; hier werden die Flüchtenden zur Hala Kijoska (eine Messe bzw. Großmarkthalle) in Wylny gebracht; dort ist es je nach Anzahl der neu ankommenden Menschen voll bis überfüllt; auch hier fast alles auf Basis von NGOs und Volunteers organisiert; mittlerweile gibt es einen Computer, Fahrer*innen können Fahrangebote anmelden, die per Lautsprecher angesagt werden; dies erreicht jedoch kaum Menschen, der Informationsfluss ist nach wie vor sehr schlecht; dafür ist der Bedarf nach Transportmöglichkeiten so groß, dass die Busse auch ohne vorherige Anmeldung in wenigen Minuten besetz sind; sie fahren hauptsächlich nach Warschau, Krakau und Poznan; Menschen mit nicht-ukrainischen Background werden benachteiligt, aber sie dürfen zumindest in die Halle und bekommen Liegen zum schlafen; wir konnten hier mehreren Menschen aus Syrien helfen oder Hilfe vermitteln
- Medyka: größerer Grenzübergang; alle Ankommenden werden zum Tesco-Camp (stillgelegenen Shopping-Mall) in Przemysl gebracht; das Lager hat mittlerweile eine sehr organisierte Struktur, die es allerdings etwas schwer macht, Menschen mit nicht-ukrainischen Background zu helfen; alle Fahrer*innen müssen sich anmelden und bekommen dann grüne Bändchen; Einlass- und Ausgangskontrollen finden statt; laut Berichten von Freiwilligen vor Ort wurden Flüchtende, die nicht ukrainische aussahen, in ihren Zelten beherbergt, weil sie nicht in der Halle nächtigen durften; hier besteht Handlungsbedarf mit dauerhaften Augen und Ohren vor Ort
Es wird berichtet, dass sich die Dramen eher vor der polnischen Grenze auf der ukrainischen Seite und an den Grenzübergängen direkt abspielen, wo die Menschen nicht in die Shuttle-Busse gelassen werden oder erst als Letzte den Grenzübergang passieren dürfen. Es bedarf dort an Helfenden, die den Grenzübergang beobachten und solche Fälle melden. So könnte man diesen Menschen schneller und gezielter helfen.
Hilfsgüter, vor allem Medikamente, Trinkwasser und Nahrung, bedarf es meiner Einschätzung nach vorwiegend auf ukrainischer Seite. Die Hilfsgüter werden in Logistikzentren kommissioniert und auf LKWs geladen. Wir wissen um ein solches Lager in der Nähe von Czieszanow.
Unterkünfte sind eine Problem. Man sollte nicht einplanen, in der Nähe der Grenze zu übernachten. Bis Rzeszow ist nahezu alles ausgebucht.