Menschenhandel – human trafficking

Seitdem wir in Ventimiglia sind dreht sich unser Alltag um die Lebensrealitäten der people on the move und die Abgründe, die Staatssysteme auf die Existenzen vieler Menschen werfen. Jedem Tag treffen wir Personen, die uns von ihren Erfahrungen, die sie auf der Flucht nach Europa oder auf der Flucht vor einer Abschiebung aus Europa, erzählen – diese sind gezeichnet von Dramatik und von Absurdität kaum zu überbieten. Die Menschen sind mit Wohnungslosigkeit, Hunger, hygienischer und medizinischer Unterversorgung und emotionaler Überbelastung und Traumatisierung konfrontiert.

Dazu kommt jedoch noch ein weiterer Aspekt. Alle people on the move sind in der Situation, dass sie von organisierter Kriminalität in Form von Menschenschmuggel und gefährlicher Schleuserei betroffen sein können. Hinzu kommt jedoch auch noch der Aspekt des Menschenhandels.
An den verschiedenen Orten, an denen sich die people on the move am Tag oder über die Nacht aufhalten, ist das Bild von männlich gelesenen Personen geprägt, weiblich gelesenen Personen oder Kinder sind nur vereinzelt und auch eher selten anzutreffen.

Dieser Umstand hat verschiedene Hintergründe, ein gravierender ist Menschenhandel und woman trafficking. Viele weiblich gelesene Personen befinden sich teilweise seit dem Start in ihrem Heimatland in patriarchalen und gewaltvollen Strukturen, die über sie bestimmen. Eine Flucht wird ihnen nur mit Gegenleistung in Form von Anspruch auf ihren Körper und kompletter Fremdbestimmung gewehrt.
Viele der Frauen befinden sich in permanenter Begleitung von „ihren Männern“ oder ihren sogenannten „brothers“. Diese bestimmen über ihren Aufenthalt mit, ob sie mit anderen Menschen reden dürfen oder ob sie z.B. medizinische Versorgung in Anspruch nehmen dürfen oder nicht. In diesen Zusammenhängen werden die Frauen genötigt, für ihren Unterhalt und die „Weiterbegleitung“ in das Zielland zu arbeiten. Eine Form dieser Arbeit ist Zwangsprostitution.

Diese Abläufe passieren in von Außen sehr schwer zu erkennende Zusammenhängen und es ist unklar, welche tiefgreifenden Ausläufe und Verwurzelungen diese Strukturen in großangelegte Kriminalität ziehen. Daher ist es auch sehr schwer bis unmöglich, betroffene Personen zu unterstützen. Es ist eine schmale Gratwanderung, welche Handlungen und welche Form der Sichtbarmachung den Frauen hilft oder sie unter Umständen noch mehr gefährdet und ihren Alltag noch mehr erschwert. Ebenfalls können unbedachte Handlungen auch auf Unterstützungsstrukturen zurück fallen und sie Unannehmlichkeiten oder Gefahren aussetzen.

Das Wissen um diese möglichen Abläufe legt sich oft über unseren Alltag und führt dazu, dass Konstellationen von Personengruppen und Rollen einzelner Personen in verschiedenen Richtung hinterfragt werden. Das kann häufig zu Unsicherheit und Zwiespalt führen. Wenn weiblich gelesene Personen mit ein oder zwei männlich gelesenen Personen unterwegs sind, werden diese Situationen hinterfragt, was dazu führt, dass männlich gelesenen Personen viele Vorurteile entgegen gebracht werden und weiblich gelesenen Personen eine enorme Hilfsbedürftigkeit und fehlende Selbstbestimmung zugeschrieben wird.

Diese Thematik befindet sich in einem enormen Spannungsfeld zwischen akutem Handlungsbedarf, Bewusstsein für die Sensibilität der Situation und stetiger Beachtung der individuellen Situation. Menschenhandel ist nach wie vor ein prekäres und aktuelles Thema und tritt in verschiedensten Formen und Umsetzungen auf.

Menschenhandel passiert in und um Europa!
Die Abschottung der europäischen Außen- und Binnengrenzen und deren Verteidigung auf Kosten von tausenden Menschenleben ist ein Katalysator dafür, dass Personen durch Menschenhandel korrupte Geschäfte führen können.
Hier in Ventimiglia, einem kleinen Ort an Italiens Grenzen ist ein weiteres Puzzelteil in der strukturell rassistischer und rechtskonservativer Vertidigungspolitik der EU erkennbar.

Wir stellen uns gegen diese menschenfeindliche Praxis und fordern sichere Flucht- und Reisewege!

Solidarität jetzt!

Smash Capitalism – stopp human trafficking now!

No Nation – No Borders!

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Radiobeiträge zur Situation in Ventimiglia

Mittlerweile wurden einige Interviews und Radioeiträge zur Situation in Ventimiglia in freien Radios veröffentlicht. Einige davon sind Gespräche mit uns, einige Beiträge von Kesha Niya, einer selbstorganisierten Gruppe vor Ort, mit denen wir teilweise zusammenarbeiten. Hier eine Übersicht:

Kesha Niya nennen wir eine antifaschistische Praxis
Interview mit Kesha Niya vom 24.02.2021
https://www.freie-radios.net/107329

Illegale Push-Backs an der italienisch-französischen Grenze: „Was geht hier eigentlich mitten in Europa?“
Interview mit Kesha Niya vom 07.04.2021
https://www.freie-radios.net/108252

Unterstützung von Flüchtenden an der italienisch französischen Grenze
Interview mit direct.support vom 08.04.2021
https://www.freie-radios.net/108295

Direct Support an der italienisch-französischen Grenze: „Das Angebot wird angenommen und ist notwendig.“
Interview mit direct.support vom 21.04.2021
https://www.freie-radios.net/108522

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Border Violence Report 20.04.2021

Am vergangenen Dienstag trafen wir an unserem täglichen Infopunkt auf eine Gruppe junger Menschen zwischen 27 und 31. Sie berichteten uns, dass sie der vergangenen Nacht (19.04. auf 20.04) massiver Polizeigewalt ausgesetzt waren, als sie versuchten nach Frankreich zu gelangen. Laut ihrem Bericht versteckten sie sich als Gruppe von 10 Personen aus Afghanistan und Pakistan gegen 00 Uhr in einem Container, welcher mit einem LKW nach Frankreich transportiert wurde. Gegen 2 Uhr in der Nacht hielt der LKW auf einem Parkplatz, nachdem der Fahrer den geöffneten Container entdeckt hatte. Der Fahrer öffnete daraufhin den Container, wobei davor schon zwei, offenbar vorher gerufene, italienische Bullen warteten. Die people on the move wurden daraufhin nacheinander aus dem Container geholt. Die Gruppe berichtete, dass die Bullen sie dabei mit hellen Taschenlampen anleuchteten und anschließend zu zweit jeweils auf eine Person einschlugen. Die Bullen nutzten dabei kurze Schlagstöcke und eventuell auch die Taschenlampen. Personen wurden auf den Kopf, Arm, ober und Unterkörper sowie Beine geschlagen. Mit den Worten „Go“ wurden die Menschen anschließend in die Nacht geschickt. Drei Personen konnten nach dem Öffnen des Containers direkt fliehen. Eine Person wurde zusätzlich vom zusehenden LKW-Fahrer zu Boden geschubst und anschließend durch die Bullen mehrmals auf den Kopf und den zum Schutz erhobenen Arm geschlagen. Verschiedene Blutergüsse und Abschürfungen an den Armen, Beinen und Kopf waren deutlich sichtbar. Eine weitere Person erlitt durch die Schläge blutende und geprellte Schienbeine.

Im weiteren Gespräch mit uns berichteten die people on the move von ihren Erfahrungen an der kroatisch-bosnischen Grenze und den dort üblichen Gewaltexzessen der Bullen. Sie berichteten wie sie mehrfach verprügelt wurden und ihnen die Kleidung, Handys und Schuhe abgenommen wurden, welche anschließend verbrannt wurden. Sie berichteten, wie sie ohne Kleidung durch einen Fluß nahe Kladusa geschickt wurden und anschließend durch hohen Schnee mehrere Kilometer zum nächsten Unterschlupf zurücklegen mussten.

Auch wenn die Berichte über Grenzgewalt der Bullen an der italienisch-französischen Grenze seltener sind, als die vielen schmerzhaften Erinnerungen die people on the move uns von der Balkanrouter berichten, sind auch hier Prügel und vor allem die psychische Gewalt der Pushbacks und langen Aufenthalte in Containern allgegenwärtig. Das gewaltvolle, rassistische Grenzregime der EU wird hier, an den Binnengrenzen ebenso sichtbar, wie auf dem Mittelmeer, den Lagern in Griechenland und allen anderen europäischen Außengrenzen.

Fight the borders, fight the police!

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Ein Tag am Borderpoint / Breakfastpoint

Wie schon kurz im vorherigen Bericht angeschnitten, ist der Breakfastpoint ein Ort nahe der Grenze, an dem Kesha Niya Menschen mit Essen versorgt, die entweder von einem gescheiterten Versuch die Grenze zu überqueren zurück nach Ventimiglia gehen oder auf dem Weg zur Grenze sind und sich noch einmal mit Nahrung stärken wollen. Der Ort ist umgeben von Bergen und man hat direkten Blick auf das türkisblaue Meer. Sogar Monacco kann mensch sehen, all die Lichter und Luxushäuser in unmittelbarer Nähe. So nah, dass man vermutlich sogar rüberschwimmen könnte. Und dazwischen die Grenze, die Gewissheit, dass dieser Weg für viele Menschen mit so viel Hoffnung verbunden ist und vermutlich auch viel Angst. Hoffnung, dass alles dort drüben anders ist, gut ist, dass sie endlich ankommen können, ein Zuhause finden können, dass es vielleicht dieses Mal klappt, dass sie endlich Glück haben und es schaffen. Und Angst. Angst vor der Dunkelheit in der Nacht, Angst davor beim laufen abzurutschen, den Weg des Todes nicht zu überwinden. Angst an der Grenze von Cops erwartet zu werden, die erbarmungslos und gewalttätig sind und sie zurück schicken in die Hoffnungslosigkeit, in das Land, in dem sie weder die Chance auf Arbeit noch auf eine Wohnung haben, in das Land was viele mittlerweile abgrundtief hassen, da es nur ausharren bedeutet und überleben in unmenschlichen Bedingungen und den Traum vom schönen Europa radikal zerstört.

An diesem Ort haben wir einen Tag verbracht, haben gekocht und uns mit Menschen unterhalten. Wir kamen morgens um 9 an und wurden schon von 10 Menschen erwartet, die einen warmen Tee oder Kaffee brauchten. Bei unserer Essensausgabe konnten wir ca. 50 Personen zählen, die den Tag am Borderpoint verbrachten oder sich dort stärkten. Im Verlauf des Tages haben wir außerdem rund 25 Pushbacks dokumentiert. Menschen die von den Bullen an der Grenze festgehalten wurden, die Nacht im Grenzcontainer verbringen mussten, da sie es nicht geschafft hatten unbemerkt nach Frankreich zu kommen. Weil manchen ein negativer Coronatest fehlte, der in Italien 60 Euro kostet und sehr schwer zu bekommen ist, weil ihnen ihre Fluchtgründe abgesprochen wurden und Frankreich ihnen nicht helfen wird. Wir trafen auf Familien, auf Frauen mit Neugeborenen und auf viele viele Männer. Auf traurige Menschen, auf müde Menschen, auf wütende Menschen, auf hoffnungslose Menschen und resignierte Menschen. Dazwischen auch Personen, welche seit langer Zeit keine Kraft mehr haben immer wieder einen neuen Versuch zu wagen und seit Jahren im Zelt oder verlassenen Häusern wohnen und täglich zum Breakfastpoint kommen, um sich Essen abzuholen und vielleicht ein paar Worte wechseln zu können, auch wenn diese gefühlt oft nichts ändern und leer sind. Und unter ihnen Schleuser*innen, die ihre Dienste anbieten und Menschen versprechen, dass es eine sichere Möglichkeit gibt um den Weg zu schaffen. Manche, die den People on the move wirklich helfen wollen, andere die Menschen abziehen und immens hohe Preise verlangen. Und trafficer, die Frauen abfangen, sie überreden mitzukommen und sie in ihrer hoffnungslosen Situation erbarmungslos ausnutzen.

Und dazwischen wir. Mitgenommen von den Energien, von den Geschehnissen und dem so großen Wunsch etwas tun zu können, um diesen Menschen in ihrer Situation zu helfen, ihnen mehr geben zu können als ein Essen und Tee.

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Spendenaufruf Ventimiglia 19.04.21

Liebe Freund*innen, liebe Unterstützer*innen,

wir, als die Crew um das Projekt direct support, befinden uns seit dem 10.4.21 in Ventimiglia in Norditalien, unweit der französischen Grenze in der Nähe von Nizza.

Seit 2015 passieren zunehmend mehr Menschen mit den verschiedensten Hintergründen diesen Ort, ihr Ziel ist es einen Ort zu finden, an dem sie mindestens Überleben oder sogar eine Perspektive finden können. Viele von ihnen hängen jedoch in Italien bis zu Jahren fest oder werden von anderen europäischen Staaten wie Deutschland, Österreich oder Frankreich dorthin abgeschoben. Denn nach dem Dublin Abkommen, müssen sich Menschen auf der Flucht bzw. on the move in dem ersten europäischen Land registrieren welches sie betreten. In Italien mangelt es jedoch an jeglichster Grundversorgung, Beratung oder Arbeit. Personen, die neu in das Land kommen, haben also keine Chance Fuß zu fassen und werden in ein Leben auf der Straße gedrängt. Wir erleben genau diese Situation hier in Ventimiglia. Wir treffen an jedem Tag ca. 100 bis 150 Menschen, die in Abrisshäusern leben müssen, unter Brücken oder am Strand nächtigen. Diese Personen haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Lebensmitteln, zu Kleidung und Duschen, zu einer Möglichkeit Kontakt zu Freund*innen und Verwandten zu halten oder sich über die geringen Perspektiven zu informieren. Unsere Projekt direct support umfasst eine mobile Informationsstruktur in Form eines Infobusses, der Wlan über mobile Router für bis zu 60 Endgeräte erzeugen kann und Strom bereitstellt. Dazu gehört auch der Medibus, der eine niederschwellige medizinische Versorgung anbietet und ein weiteres Fahrzeug, dass flexibel für verschiedene Wege und Aufgaben einsetzbar ist. An jedem Tag erweitert sich unser Aufgabenfeld und wir begleiten people on the move in Ventimiglia an ihren Lebensorten. Das benötigt jedoch auch finanzielle Mittel, in den vergangenen Monaten wurden wir bereits durch viele Geld und Sachspenden unterstützt – dafür wollen wir uns noch einmal bedanken! Doch sind wir weiterhin auf eure Solidarität angewiesen und benötigen weiterhin finanzielle Unterstützung.

Wir benötigen täglich Geld für Lebensmittel und Gas, um mindesten 100-150 Portionen Essen am Tag zu kochen, Benzin für den Stromgenerator des Infobusses, Medikamente und Hygieneartikel wie Händedesinfektionsmittel, Hautcreme, Zahnbürsten, Zahnpasta und Seife. Durch die Covid-19 Pandemie spielen auch Masken natürlich eine große Rolle um geringsten Schutz vor Ansteckung zu ermöglichen. Somit besteht ein hoher Verbrauch, der auch einiges kostet – daher bitten wir euch erneut Support in Form von Geld und der Verbreitung unseres Aufrufes und Blogs!

Für eine Welt ohne Grenzen!

No Borders – No Nation!

Solidarität Jetzt!

Spendenkonto:
Medinetz Halle/Saale e.V.
IBAN : DE65 8005 3762 1894 0424 05
BIC : nolade21hal
Saalesparkasse
Verwendungszweck : konvoi

blog : directsupport.blackblogs.org

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Rund um den Medibus

Unsere direct support Struktur ist in unserer jetzigen Konstellation in drei Fahrzeuge, die zur Zeit von 4 Teams bespielt werden. Ein Teil davon ist der Medibus. Im ersten Moment könnte mensch meinen, beim Medibus und dessen Aufgaben handelt es sich um eine eindeutige Angelegenheit. Doch so divers wie die Menschen und ihre Geschichten, auf die wir treffen, so verschieden sind auch die Ereignisse in und um den Medibus. Auf den ersten Blick sieht unser medizinischer Allrounder aus wie der Sprinter eines Handwerksbetriebes und kann somit ungesehen im Getummel der Stadt abtauchen. Doch auf den zweiten Blick in das Innere des Busses wird deutlich, was im Innenraum alles geschehen kann. Die Ladefläche ist in einen Behandlungsraum und eine Schlafkabine für die Crew aufgeteilt. Da der Sprinter ca. 7m lang ist, bietet er für 4 Bettplätze und eine ausreichend geräumige Arbeitsfläche Raum. Die Behandlungskabine kann durch die Hecktür betreten werden und beinhaltet eine verstellbare Behandlungsliege, eine Hängeregal, ein Standregal und einen Metallschrank mit Ablagefläche. Somit ist für viel Stauraum gesorgt. Zur Ausstattung gehören jegliche Medizinpodukte, die der Wundversorgung und dem Verbandswechsel dienen, Hygieneprodukte wie Tampons, Binden, Zahnbürsten und Cremes gehören ebenfalls dazu. Damit das Mediteam auch ohne Bus mobil sein kann, gibt es einen Sanirucksack mit einer kleinen Grundausstattung. Blutdruckmessgerät, Blutzuckermessgerät, Stethoskop und Sauerstoffmesser dürfen für den Notfall natürlich auch nicht fehlen. Neben dieser Basisausstattung sind im Medibus auch stets kreative Lösungsansätze zu finden, angefangen von möglichen Sprachbarrieren bis hin zu praktischen Umsetzungen an die aktuelle Lebensrealität der vorwiegend wohnungslos und mittellos lebenden Menschen.

Doch was passiert im Medibus?

Während der Infobus für people on the move einen Anlaufpunkt über den Tag bietet, öffnet der Medibus seine Tür zum Behandlungszimmer. Dort warten dann Personen von uns mit medizinischem Hintergrund (Pflege-, Sanitäter*innen oder Ärzt*innenausbildung) auf Menschen, die sich ihnen mit ihren Beschwerden anvertrauen wollen. Nachdem der Medibus an Bekanntheit gewonnen hat, wird er häufig und auch regelmäßig aufgesucht. Viele Menschen sind durch lange Fußmärsche und das Leben auf der Straße in Anspannung und Ungewissheit im Bezug auf ihre Zukunft gezeichnet. Sie haben Schmerzen in den Gliedern, haben Prellungen, Zerrungen oder verstauchte Beine. Es gibt kaum Füße ohne Blasen. Viele Personen sind erschöpft von der körperlichen Belastung und der Kräfte zehrenden Perspektivlosigkeit. Somit ist Schlaflosigkeit und stets wiederkehrende Gedanken und Traumata ebenfalls immer ein aktuelles Thema. Aufgrund der hygienischen Missstände treten häufig Hauterkrankungen und Parasitenbefall des ganzen Körpers auf. Fast alle Menschen haben aufgeweichte Füße von nassen und kaputten Schuhen, oder sehr trockene Haut, die zu Juckreiz führt. Oftmals gilt es kleinere und größere Wunden zu säubern und zu verbinden, die durch Unfälle auf den unwegsamen Strecken entstehen. Jedoch werden Personen auch Verletzungen durch die Pushbacks der Polizei und des Militärs zugesetzt. Schwangere Frauen kommen häufig körperlich überanstrengt und mit Schmerzen vom langen Laufen im Bauch und Unterleib an. Neben all diesen Beschwerden und Erkrankungen finden aber auch viele Menschen den Weg in diesen Schutzraum, um sich die „Seele streicheln“ zulassen und um ein paar Worte in Ruhe zu wechseln. Manchmal ist die Versorgung gut zu gewährleisten, doch oftmals muss sich das Mediteam auch Umwege und und Kompromisse zwischen medizinischer Notwendigkeit und bestehender Realität einfallen lassen. Da die Alternative meistens keine Versorgung wäre, werden jeden Tag niederschwellige Optionen für die Linderung der Probleme gesucht und meistens auch gefunden. Das erfordert Mut und auch die Bereitschaft, bekannte Standards zu verlassen und sich auf die bestehenden Bedarfe einzulassen. Die Crew im Medibus ist mindestens zu zweit, da eine gemeinsame Entscheidungsfindung und Absprache sowie Austausch über passende Erfahrungen wichtige Prozesse darstellen. So viel Ruhe, wie sie meistens im Behandlungsraum herrscht, soviel Trubel ist häufig um den Bus herum. Schnell bildet sich eine Traube von Menschen, die ihre Anliegen vorbringen müssen. In der letzten Woche konnten wir somit eine steigende Annahme verzeichnen und sind uns über die Notwendigkeit der Versorgung einig. Der Medibus ergänzt die direct support Struktur somit auf verschiedenen Ebenen und ist nicht weg zu denken.

Gesundheit ist ein Menschenrecht

Fight the Borders

19.04.2021 Ventimiglia

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Wichtige Plätze in Ventimiglia für people on the move

In Ventimiglia gibt es verschiedene Plätze die wichtige Rollen für die People on the Move spielen. In diesem Bericht wollen wir einen kurzen Überblick über diese geben und die Rollen der Plätze kurz anreißen.

Bahnhof

Der Bahnhof von Ventimiglia liegt im Zentrum der Stadt. Er war lange Zeit, und ist es auch bis heute noch, eine wichtige Adresse für People on the Move. Es gibt Zeiten, in denen die Menschen ohne größere Probleme mit dem Zug nach Frankreich gelangen können, im Moment ist es jedoch sehr schwierig, da die französischen, und auch italienischen Cops so gut wie jeden Zug kontrollieren. Die Präsenz der Carabinieri (italienische Bulleneinheit) ist am Bahnhof sehr hoch. Fast rund um die Uhr steht eine Einheit direkt vor dem Bahnhof und führt racial profiling durch. Trotz der hohen Repression versuchen viele Menschen es mit dem Zug nach Frankreich zu gelangen.

Schlafplätze

Es gibt am Rande der Stadt mehrere Orte, die sich als Schlafplätze für People on the Move etabliert haben. Die Orte sind illegal genutzt und teilweise sind die Menschen auch dort Schikanen der Bullen ausgesetzt. Außerdem sind die hygienischen und baulichen Zustände katastrophal. So gibt es eigentlich außerhalb der Sommersaison keine öffentlichen Duschen oder Toiletten. Es gibt kein fließend Wasser oder Strom. Wasser wird oft aus kaputten Rohrleitungen geschöpft, oder mit provisorische selbstgebauten Schläuchen an die Orte geholt. Es gibt außerdem die Vermutung, dass die People on the Move für einige Schlafplätze bezahlen müssen.

Parkplatz Via Tenda

An diesem Parkplatz befinden wir uns im Moment jeden Tag, wir bieten hier freies WLAN, Kartenmaterial, Kaffee, Tee, Handyladestationen, medizinische Grundversorgung und Essen an. An diesem Ort gibt es außerdem jeden Tag von 18-20uhr Essen und Handyladestationen von anderen solidarischen Gruppen, auch aus Frankreich. Der Ort ist auch ein Ort um sich zu treffen, Neuigkeiten auszutauschen und mit Freund*innen oder Familie in Kontakt zu kommen. Früher gab es unter der hier angrenzenden Brücke ein illegales Camp, welches geräumt wurde.

Breakfastpoint/Borderpoint

Dieser Punkt liegt kurz vor der Grenze zu Frankreich, dort gibt es einen Versorgungspunkt von Kesha Niya (selbstorganisierte Struktur die hier seit Jahren aktiv ist). Viele People on the Move versuchen in dem Gebiet dieses Punktes die Grenze zu überqueren. Gelingt dies nicht ohne von den französischen Bullen gepushbackt (illegal zurückgeschoben) zu werden, kommen sie dort als erstes nach ihrem französisch/italienischen Gewahrsam an. Dort werden sie mit Tee und Essen, Informationen und seelischer Unterstützung von Kesha Niya aufgefangen.

In den nächsten Texten werden wir gesondert zu den einzelnen wichtigen Anlaufpunkten tiefergehend berichten. Außerdem wird es Artikel mit verschiedenen Themenschwerpunkten geben.

Wenn ihr uns und unsere Arbeit hier vor Ort direkt unterstützen wollt, könnt ihr uns gern auf das Spendenkonto Geld überweisen, jeder Euro hilft uns eine bessere Unterstützungsarbeit leisten zu können. Ihr könnt außerdem den langjährig aktiven Strukturen Geld spenden wenn ihr mögt (keshaniya.org).

 

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Wir sind angekommen / Ventimiglia

Wir sind angekommen / Ventimiglia

Nach 30h autofahren, einer Panne und zwei Ländergrenzen haben wir es endlich geschafft. Seit Samstag den 10.04.21 sind wir in Ventimiglia/Italien!

Ventimiglia ist eine Stadt mit (offiziell) ca. 24.000 Einwohner*innen in der Provinz Imperia in der Region Ligurien und ist ca. 20km von der französischen Grenze entfernt. Viele Menschen die aus ihren Heimatländern fliehen mussten, kommen auf ihrem Weg in ihre Zielländer, über die Balkanroute oder das Mittelmeer nach Italien. Hier in Ventimiglia hängen die people on the move/refugees fest, weil das erfolgreiche überqueren der Grenze schwer und gefährlich ist und täglich Menschen von Frankreich nach Italien illegal gepushbackt, also ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen zurückgeschickt werden.

Hier vor Ort versuchen lokale und überregionale Strukturen und Organisationen die Menschen best möglich zu versorgen. Es wird Essen gekocht und verteilt, Kleiderspenden gesammelt und an die Menschen weitergegeben, versucht Unterkünfte zu organisieren und Schutzräume aufzubauen, um nur einen Teil der Arbeit zu nennen. Es gibt kein offizielles Camp und die Menschen müssen auf der Straße leben oder anderweitig eine Unterkunft suchen.

In den letzten tagen haben wir versucht einen Überblick zu bekommen, uns mit den Strukturen und Organisationen zu vernetzen und raus zu finden wo wir gebraucht werden. Gestern haben wir mittags 50 Portionen gekocht und verteilt und abends noch einmal ca. 50 gespendete Portionen an Plätze gebracht wo viele Menschen ihre Nacht verbringen. Da gestern Ramadan angefangen hat planen wir ab heute jeden Abend ab 9:00 Uhr ca.100 Portionen zu den Menschen zu bringen. Die Handyladestation und das freie Wlan das wir anbieten wird gut angenommen und wir haben immer 10-30 Menschen um unserem Infobus.

Unsere Medis* haben mit unserem Medibus unterschiedliche Orte angefahren, angefangen vertrauen aufzubauen und Menschen zu versorgen. Bis jetzt wurden circa 12 Menschen mit u.a. Hautproblemen, Wunden und Fußverletzungen versorgt.

 

bild1 lade mit bus verp.cleaned

 

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Neue Sammelstelle in Heidelberg

In Heidelberg gibt es eine neue Sammelstelle für Handyladekabel, Powerbanks…

Abzugeben unter dieser Adresse:

OBG
Oberbadgasse 6
69117 Heidelberg

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Powerbanks / Ladekabel spenden

Liebe Alle*
wir wollen im April nach Italien fahren um aktiv Geflüchtete zu unterstützen auf dem Weg nach Europa.
Dabei brauchen wir noch eure Unterstützung, zum einen folgt weiter unten noch einmal der Spendenaufruf. Zum Anderen wird es in Halle, Greifswald und Leipzig eine Sammelstelle geben um folgende Dinge zu sammeln:

– Ladekabel USB C / B für Android Handys
– Ladekabel für iPhones
– Powerbanks um unterwegs Handys zu laden

Schaut doch bitte alle mal zu Hause nach ob sich nicht eventuell in euren Schubladen solche Dinge türmen und ihr uns diese Dinge zur Verfügung stellen könnt, damit wir sie dort verschenken können und in abgelegenen Ecken anbieten können das Menschen ihre Geräte bei uns aufladen.
Auch wenn ihr nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung habt, wäre es eine Möglichkeit in einem Einkaufsladen eurer Wahl eine Powerbank zu kaufen und sie an der Sammelstation abzugeben. Jede Powerbank und jedes Ladekabel hilft uns und den Menschen vor Ort.
Die Dinge werden am 08.04. in Halle und am 30.03. in Greifswald von uns abgeholt, also gebt eure Sachen bitte vorher dort ab, damit sie uns erreichen.

Sammelstationen Halle/Saale:

Reil 78 (Bitte beschriften mit Spende für directsupport , in Briefkasten am Eingang)
Reilstrasze 78
06144 Halle

Medinetz Halle/Saale (Briefkasten im Hof, oder Mittwoch zwischen 16:00Uhr und 19:00Uhr)
Kontaktladen
Merseburgerstr. 120
06110 Halle/Saale

Sammelstation Greifswald:

Corna (ehemals Kabutze) (Bitte in den Briefkasten legen)
Friedrich Loeffler Strasze 44a
17489 Greifswald

Sammelstation Leipzig:

Lehe (Briefkasten / Lehe)
Baedekerstrasze 8
04317 Leipzig

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