Medi-Bericht der ersten Tage

Die allerersten Tage war viel los / viel zu tun. Besonders in den ersten zwei Tagen, war ständig jemensch im Medi-Bus. Am häufigsten kamen people on the move mit Wunden an den Füßen oder Beinen zu uns, einige mit Schmerzen im Rücken und Kopf, aber auch einige mit Zahnproblemen. Die Zahnprobleme brachten uns an unsere Grenzen der Versorgung, aber leider ist den lokalen Gruppen auch kein*e solidarische*r Zahnärzt*in bekannt, weshalb wir nichts besseres tun können, als den Betroffenen zu empfehlen ins Krankenhaus zu gehen.

Das Krankenhaus ist allerdings nur für wenige eine Option. Das nächste ist in Bordighera, was zu Fuß ca. 1 Stunde und mit dem Auto ca. 25 Minuten entfernt ist. Und selbst wenn die Betroffenen den weiten Weg auf sich nehmen, was in einigen Situationen aufgrund ihrer Verletzungen an sich ein Hindernis darstellt, ist ihnen eine Behandlung nicht sicher. Obwohl sie ein Recht auf Behandlung haben, werden viele wieder weggeschickt. Einige möchten nicht ins Krankenhaus gehen, weil sie ihre Identität aus Angst vor Repression oder Abschiebung nicht angeben möchten. Auch die Trennung von der Gruppe, Freund*innen on the move, Begleiter*innen oder Familie ist ein Grund. Bei einem Menschen, den wir ins Krankenhaus begleitet haben, schien die Trennung von einem Freund ihn vorerst davon abzuhalten mit uns mitzukommen.

Mit dem ersten people on the move, den wir überzeugen konnten und der letztendlich mit seinem Freund gemeinsam mit uns ins Krankenhaus ist, mussten wir stundenlang warten – draußen, als einzige – ehe er behandelt wurde.

Mir fiel es manchmal schwer die people on the move, von der Dringlichkeit ins Krankenhaus zu gehen, zu überzeugen. Wie viel Überzeugung ist notwendig und wie viel zu viel? Manchmal kam mit Sprachbarrieren die fehlende Gewissheit dazu, ob die Menschen uns verstanden haben. Nach mehrfach wiederholten Fragen gegen diese fehlende Gewissheit, wollte ich wiederum nicht zu aufdringlich werden, um die Bedürfnisse der Menschen nicht zu missachten.

Einen anderen, der einen nekrotisierenden Zeh [1] hatte, konnten wir nicht ausreichend versorgen, – bis auf dass wir ihm Schmerzmittel gaben. Ins Krankenhaus wollte er nicht. In diesem Gespräch wurde es mir nach dem dritten oder vierten Versuch, mit dem wir ihm die Dringlichkeit der Situation und die Notwendigkeit der medizinischen Versorgung im Krankenhaus erklärten, unangenehm. Lag es daran, dass wir uns mit einander nicht gut verständigen konnten? Oder haben wir seinen eigentlichen klaren Wunsch nur nicht verstanden? Nach dem 20Kappa [2] einen Übersetzer organisierte, wurde deutlich, dass er nicht ins Krankenhaus möchte, sondern lieber zurück nach Hause. Angesichts der Schwere seiner Situation, war ich mit seiner Entscheidung nicht glücklich. Aber wichtiger als meine Unzufriedenheit mit seiner Entscheidung, ist mir, dass es seine ist.

Rala & die Medi-Crew

[1] nekrotisierend heißt, dass Gewebe des Körpers abstirbt

[2] 20Kappa ist eine autonome Struktur, die dauerhaft vor Ort in Ventimiglia arbeitet

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