Ein Tag am Borderpoint / Breakfastpoint

Wie schon kurz im vorherigen Bericht angeschnitten, ist der Breakfastpoint ein Ort nahe der Grenze, an dem Kesha Niya Menschen mit Essen versorgt, die entweder von einem gescheiterten Versuch die Grenze zu überqueren zurück nach Ventimiglia gehen oder auf dem Weg zur Grenze sind und sich noch einmal mit Nahrung stärken wollen. Der Ort ist umgeben von Bergen und man hat direkten Blick auf das türkisblaue Meer. Sogar Monacco kann mensch sehen, all die Lichter und Luxushäuser in unmittelbarer Nähe. So nah, dass man vermutlich sogar rüberschwimmen könnte. Und dazwischen die Grenze, die Gewissheit, dass dieser Weg für viele Menschen mit so viel Hoffnung verbunden ist und vermutlich auch viel Angst. Hoffnung, dass alles dort drüben anders ist, gut ist, dass sie endlich ankommen können, ein Zuhause finden können, dass es vielleicht dieses Mal klappt, dass sie endlich Glück haben und es schaffen. Und Angst. Angst vor der Dunkelheit in der Nacht, Angst davor beim laufen abzurutschen, den Weg des Todes nicht zu überwinden. Angst an der Grenze von Cops erwartet zu werden, die erbarmungslos und gewalttätig sind und sie zurück schicken in die Hoffnungslosigkeit, in das Land, in dem sie weder die Chance auf Arbeit noch auf eine Wohnung haben, in das Land was viele mittlerweile abgrundtief hassen, da es nur ausharren bedeutet und überleben in unmenschlichen Bedingungen und den Traum vom schönen Europa radikal zerstört.

An diesem Ort haben wir einen Tag verbracht, haben gekocht und uns mit Menschen unterhalten. Wir kamen morgens um 9 an und wurden schon von 10 Menschen erwartet, die einen warmen Tee oder Kaffee brauchten. Bei unserer Essensausgabe konnten wir ca. 50 Personen zählen, die den Tag am Borderpoint verbrachten oder sich dort stärkten. Im Verlauf des Tages haben wir außerdem rund 25 Pushbacks dokumentiert. Menschen die von den Bullen an der Grenze festgehalten wurden, die Nacht im Grenzcontainer verbringen mussten, da sie es nicht geschafft hatten unbemerkt nach Frankreich zu kommen. Weil manchen ein negativer Coronatest fehlte, der in Italien 60 Euro kostet und sehr schwer zu bekommen ist, weil ihnen ihre Fluchtgründe abgesprochen wurden und Frankreich ihnen nicht helfen wird. Wir trafen auf Familien, auf Frauen mit Neugeborenen und auf viele viele Männer. Auf traurige Menschen, auf müde Menschen, auf wütende Menschen, auf hoffnungslose Menschen und resignierte Menschen. Dazwischen auch Personen, welche seit langer Zeit keine Kraft mehr haben immer wieder einen neuen Versuch zu wagen und seit Jahren im Zelt oder verlassenen Häusern wohnen und täglich zum Breakfastpoint kommen, um sich Essen abzuholen und vielleicht ein paar Worte wechseln zu können, auch wenn diese gefühlt oft nichts ändern und leer sind. Und unter ihnen Schleuser*innen, die ihre Dienste anbieten und Menschen versprechen, dass es eine sichere Möglichkeit gibt um den Weg zu schaffen. Manche, die den People on the move wirklich helfen wollen, andere die Menschen abziehen und immens hohe Preise verlangen. Und trafficer, die Frauen abfangen, sie überreden mitzukommen und sie in ihrer hoffnungslosen Situation erbarmungslos ausnutzen.

Und dazwischen wir. Mitgenommen von den Energien, von den Geschehnissen und dem so großen Wunsch etwas tun zu können, um diesen Menschen in ihrer Situation zu helfen, ihnen mehr geben zu können als ein Essen und Tee.

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