Gelebte Solidarität – und warum das nicht nur ein Grund zur Freude ist

Seit dem Morgen des 24.Februar 2022 schaut die „ganze Welt“ auf die Ukraine und zeigt sich schockiert über den Angriffskrieg, den Putin unter dem Vorwandt einer Militäroperation zur Entnatzifizierung, veranlasst hat. Ob die ganze Welt die Geschehnisse so intensiv verfolgen, wie die Menschen in den europäischen Ländern oder in den Nato Mitgliedsstaaten, wissen wir natürlich nicht ganz genau – denn außerhalb von Europa gibt es immer noch unzählige Orte an denen ebenfalls Krieg herrscht, Zivilist:innen sterben und täglich Menschen aus unzähligen Gründen fliehen müssen. Was den absurden Krieg in der Ukraine natürlich nicht relativiert.
Millionen von Menschen erleben schrecklichste Traumata, sterben,werden ermordet, gefoltert und vergewaltigt  oder stehen vor dem Ende ihrer Existenz und wenige profitieren in Form von zunehmender Macht und Kapital. Neben der Verurteiliung der Kriegshandlung gegenüber dem ukrainischen Staat und seinen Bewohnenden macht sich quer durch die europäische Bevölkerung eine starke Welle von Anteilnahme, Unterstützung und Motivation für eine nicht enden wollende Gastfreundschaft breit. Von Privatpersonen bis hin zu Firmen und staatlichen Einrichtungen gibt es eine Einigkeit darüber, dass den millionen Menschen, die gerade aus der Ukraine flüchten müssen, Hilfe in allen Lebenslagen zukommen soll. Von dem Moment des Grenzübertritts bis hin zur Ankunft in den ersten Zielorten scheint an alles gedacht wurden zu sein – wenn auch oft noch chaotisch oder mehr privat organisiert als staatlich – aber es scheint Lösungen zu geben.
Einen kleinen Eindruck konnten wir an den Grenzorten in Polen gewinnen : es gibt SIM Karten zum telefonieren, verschiedene Essensangebote, Kinderwagen – und Autositzschalen, Kleidung, Medikamenete, Hygieneprodukte, Tierfutter und Busse sowie Autos, die Menschen abholen und mindestens in die nächste Unterkunft, Stadt oder sogar das nächste Land bringen. Und geht es dann für Ankommende in Deutschland weiter, ist kostenlose Nutzung des Nahverkehrs, niederschwellige Leistungen, Sprachkurse und das Angebot an möglichen Arbeitsstellen oder Schulplätzen schon umgesetzt oder mindestens schon in der Planung. Das ist alles super!
Doch wer bis hier her gelesen hat, wird sicherlich schon bemerkt haben, dass es noch zu einem ABER kommen wird…
 
Warum ist diese Hilfsbereitschaft nicht nur Grund zur Freude? 
Diese Situation nicht enden wollender Solidarität weist verschiedene Fallstricke auf. Zum einen sollte eine Kritik daran auf jeden Fall deutlich machen, dass sie sich nicht darum dreht, was Menschen für Unterstützung erhalten – sondern den Fokus darauf legen, warum andere Menschen diese Unterstützung nicht erfahren. Leider wird in den letzten Wochen das rassistische, sexistische und kategorisierende Gesicht im Umgang mit Menschen auf der Flucht in den staatlichen Strukturen, dem humanitären Versorgungssektor und der bürgerlichen Gesellschaft immer deutlicher. Wie so oft wird als hinkender Vergleich für Fluchtbewegungen die „Flüchtlingskrise 2015“ herbei gezogen, schon alleine in dem vergangenem Sommer 2021 als klar wurde, dass die Taliban, Kabul und ganz Afghanistan wieder unter ihre Kontrolle bringen werden und als nächstes im Herbst, als flüchtende Menschen für die perfiden Spiele von Lukatschenko und dem Westen herhalten mussten. Politiker:innen und staatliche Akteure wollen bloß kein zweites 2015 und Europa und seine innere Sicherheit muss auf jeden fall besser geschützt werden.
Wer sich aber an 2015 erinnern kann und die Grenzübertritte der damals flüchtenden Personen beobachtet und miterlebt hat, wird bemerken, dass der Umgang ein anderer war.
Menschen wurden von Polizei und Militär in Gewahrsam genommen und mussten Stunden in Gittern oder umringt von Panzern ausharren, die Orte haben nach Fäkalien und nassen Decken gestunken, es gab wenig und einseitiges Essen, die Grenzen innerhalb der EU waren plötzlich geschlossen und das Schengen Abkommen wurde außer Kraft gesetzt, an manchen Grenzorten wurden Ankommende zwar auch sehr herzlich begrüßt – doch kostenlose Angebote, Aussicht auf Arbeit oder problemfreie Aufenthalte waren nicht in Sichtweite…
Als im August 2021 hunderte Ortskräft versucht haben aus Afghanistan auszureisen,war ohne ein Visum in einen Drittstaat aus dem dann heraus ein Antrag auf Aufenthalt gestellt werden konnte, an keine Einreise zu denken. Und gerade jetzt sitzen Menschen aus Syrien, Afghanisaten, dem Iran oder Irak zwischen Belarus und Polen fest oder fahren seit Wochen auf einem Seenotrettungsschiff auf dem Mittelmeer umher und hoffen ans Festland gelassen zu werden…
Zum einen wird mal wieder deutlich, wie absurd Staatsgrenzen und bei Geburt zufällig erhaltene Staatszugehörigkeiten sind und wie sie zu einer Kategorisierung von Menschen in verschiedene Klassen führen. Und genauso deutlich zeigt sich, dass rassistisches Handeln weiterhin Menschen ausschließt und hinten anstehen lässt. Und sind Menschen von Rassismus getroffen und haben dann auch noch die falsche Staatenzugehörigkeit, ist auch der Krieg vor dem sie fliehen ein anderer als der aus dem z.B. weiße Menschen mit einem entsprechendem Pass fliehen müssen.
Auch wird über das vermeintliche Geschlecht und Alter einer fliehenden Person stets ein Urteil gefällt – Frauen, Kinder und alte Menschen wirken stets berechtigt und werden gerne aufgenommen. Junge Männer hin gegen werden eher verurteilt und sollen sich um ihr Land kümmern, dort kämpfen oder sich um ihre Familie kümmern. Aber das viele Männer wahrscheinlich in „ihrem Land“ schon längst tot wären, wegen Krieg,Verfolgung,Armut oder dem Klimawandel und sich so auch nicht sonderlich gut um ihre Familien kümmern könnten, wird selten bedacht. In dieser Zeit wird so deutlich, welche Menschen in dieser Gesellschaft noch lange hinten anstehen werden und das die kapitalistische Verwertungslogik noch häufig siegen wird.
 
Wir fordern, dass diese Unterstützung bedingslos allen Menschen, die es in ihren „Heimatländern“ nicht mehr aushalten können, zu gute kommt und somit, alle Menschen die in reichen Ländern ankommen, davon profitieren können.
Wir fordern alle hilfsbereiten Menschen dazu auf, diese Solidarität beizubehalten und weiterhin diesen Umgang mit Ankommenden zu pflegen und auch dem Staat gegenüber einzufordern!
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